Noch einmal durchziehen, das Training nicht schleifen lassen und das Ziel vor Augen behalten. So oder so ähnlich hatte ich es mir vorgestellt, als ich mich am Anfang der Saison für das Rennen der 2. Bundesliga in Grimma angemeldet hatte. Grimma, die kleine Stadt, die nicht nur durch das Jahrhunderthochwasser berühmt geworden ist, sondern vereinsintern auch dafür, dass bei uns ein Uhrenverbot in der Bundesliga besteht, wir den kürzesten Weg zum nächsten Krankenhaus kennen und dass wegen unseres Rennens vor einigen Jahren nun ein kleiner Passus in der Ligaordnung der DTU steht. Jedes Jahr stellt mir mein iPhone ungefragt ein Best-of aus Grimma zusammen und präsentiert mir zu kitschiger Musik die Erinnerungen aus vielen Jahren 2. Bundesliga in der Stadt an der Mulde.
Und nun durfte ich tatsächlich wieder ran. Durch den doppelten Aufstieg unserer Teams im letzten Jahr war es nun der „zweiten Reihe“ eine Ehre, die Flagge in der 2. Bundesliga Nord hochzuhalten und den Verein zu repräsentieren. So fuhren wir, drei Viertel unseres Damenteams und ich, mit dem Bus aus der Hansestadt am Samstagmorgen Richtung Osten. Schon hier fingen die Flashbacks an. 2012, noch ein Jahr vor Gründung des Tri Teams, war ich mit der damaligen Stammbesetzung unseres Bundesliga-Teams (damals noch Tri Michels) unterwegs und wir zollten unserem Teamkollegen André Stübs, genannt „Opa“, unseren Respekt, dass er in seinem Alter noch so konkurrenzfähig war. Nun, 13 Jahre später, war ich in derselben Situation und durfte mir von den Mädels (17, 18 und 21) ähnliche Sprüche anhören.
In Grimma angekommen fuhren wir die Radstrecke ab und ich erwischte mich dabei, davon zu erzählen, dass es früher ja noch den Prophetenberg gegeben hätte und dort epische Szenen zwischen Philipp Herber und dem Rest des Feldes passierten. Doch weder der Prophetenberg noch der Name waren bekannt oder von Interesse.
Der Rest des Herren-Teams reiste aus dem Süden an und musste sich dort bereits am Vorabend in der 1. Bundesliga beim Allgäu-Triathlon mächtig einen zwischen die Hörner geben lassen. Trotz allem war die Stimmung auf dem bekannten REWE-Parkplatz direkt an der Strecke geprägt von stumpfen Sprüchen und einer motivierten „Jetzt erst recht“-Einstellung. Was folgte, war einer der schönsten Abende seit langer Zeit. Mit dem Team beim Italiener, Carboloading und Geschichten aus dem Paulanergarten, die mir noch Tage später als Bauchmuskelkater vom Lachen in den Kopf kamen. Um ein Haar hätte ich vergessen, dass dies für mich der erste Bundesligawettkampf seit langer Zeit war, bei dem ich im freien Feld starten durfte. Doch kurz vor dem Einschlafen fiel es mir wieder ein. Die Nervosität vor so einem Wettkampf wird wohl nie ganz verschwinden. Das merkte auch mein Zimmerkompane Dejan, als er mich trocken fragte, warum ich meine Startnummer für die Wade ebenfalls auf meinen Oberarm geklebt hätte. Man könnte sagen, mir ging der Stift, oder einfach „unprofessionell“.
Raceday! Einchecken um 8:00 Uhr auf dem Floßplatz, direkt an der Mulde. Für Frühstück im Hotel war weder die Zeit noch das Angebot der Hoteldame gewesen. Also schoben wir uns die abgepackten Schoko-Croissants rein und bereiteten die Wechselzone für den Start vor. Auch das hatte ich etwas vermisst: das Wiedersehen mit den anderen Teams und dumme Sprüche klopfen, wenn jemand nach einer Pumpe, Gummis oder Babypuder fragt. Eine lockere Atmosphäre, die, so erzählt man es sich, wohl mit dem Aufstieg in die nächsthöhere Liga verloren geht.
Um 9:00 Uhr starteten die Frauen, und wir schauten gespannt, wo man sich am besten platzieren sollte, um die Strömung der Mulde bestmöglich auszunutzen. Die Info, gut eine Woche vor dem Wettkampf, dass der abgestürzte Bundeswehrhubschrauber keine Gefahr darstellen würde, da das Kerosin weiter Flussabwärts ausgetreten ist, ließ unsere Damen noch ein wenig schneller Anschwimmen. Leider konnte Tamar krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Das bedeutet, dass alle unserer Athletinnen ins Ziel kommen mussten, um ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Beim Schwimmen waren die Mädels unglaublich stark und kamen gemeinsam aus dem Wasser. Ab auf’s Rad – dort wurde super im Team zusammengearbeitet.Die Strecke war ein ständiges Auf und Ab, und unsere Mädels haben sich nicht geschont, sondern sind mit voller Kraft gefahren, um den hinteren Gruppen keinen Funken Hoffnung zu geben. Auch beim Laufen waren alle richtig stark und haben noch einmal alles gegeben. Am Ende hat sich die Teamleistung ausgezahlt: Wir sind in der Gesamtwertung Erster geworden!
Während die Mädels den Tagessieg holten, liefen wir uns ein und bereiteten uns für den eigenen Start vor. Der fantastische Zieleinlauf von Lene, Lena und Kathia spendete auch noch einmal etwas Motivation für den Startschuss um 9:30 Uhr. Kurz vor dem Startschuss stand mir das Adrenalin bis zu den Augenbrauen, und ich sagte zu den Supportern vor Ort, dass dies mit Sicherheit mein letzter Auftritt in der 2. Bundesliga sein würde. Und so suchten wir uns nach dem Aufruf unseres Teams eine gute Ausgangsposition in der Mulde und preschten nach dem Startschuss gemeinsam Richtung erste Boje.
Entgegen den Erwartungen war das Schwimmen nach dem anfänglichen Sprint aus den Startlöchern relativ human, sodass ich mich kurz vor dem Ausstieg neben Dejan und Vincent wiederfand. Nun galt es, sich möglichst ohne Würdeverlust auf den Schwimmponton des Ausstiegs zu wuchten und in Richtung Rad zu rennen. Der Wechsel verlief gekonnt, und vorne konnte ich noch einige Starter sehen, die die erste Gruppe bildeten. Im Gegensatz zu Vincent, der den Anschluss noch schaffte, entschied ich mich dazu, meine Schuhe bereits auf der ersten von drei Radrunden anzuziehen. Eine Entscheidung, die für mich die zweite Gruppe bedeutete, in der ich nun mit Dejan saß und versuchte, die Lücke zur ersten Gruppe wieder zu schließen.
Aus der anfänglichen Aufregung war nun der Spaß am Kampf um Positionen und Geschwindigkeit geworden. Bereits am Wendepunkt konnten wir Max und Daniel in der dritten Gruppe erkennen, die an uns heranrollten. Trotz einiger Antritte und Führungsarbeit wurden wir am Ende der letzten Runde jedoch von der dritten Gruppe geschluckt, sodass ich mit dem guten Wissen auf die Laufstrecke gehen konnte, dass unsere Lauf-Spezialisten Daniel und Max nun nur noch einen Weg kennen würden: nach vorne!
Auf zwei Laufrunden hieß es nun für mich, die Laufbeine zu finden und aus dem Schleppschritt wieder Vortrieb und Körperspannung zu machen. Während drei meiner Teamkameraden bald nur noch in der Ferne zu sehen waren, stellte ich am Wendepunkt fest, dass ich mich auf dem vierten Teamplatz befand und somit in die Wertung kommen würde. Also noch einmal alle Kräfte bündeln und positionieren für den Endspurt, um noch zwei Platz-Ziffern gutzumachen.
Im Ziel wich der hohe Puls dann der Erleichterung und der Zufriedenheit, dem Team hilfreich gewesen zu sein und die Prediction von Triathlon Forecast (71) geschlagen zu haben. Ein 9. Platz war am Ende sicher nicht das, was wir aus den vergangenen Jahren gewohnt waren, aber sicherlich ein Ergebnis, mit dem wir alle trotzdem zufrieden in Richtung des nächsten McDonald’s steuern konnten.
Nachdem nun ein paar Tage vergangen sind und ich gesehen habe, dass der Sieger des Rennens meinen Jahrgang hat, habe ich meine Aussage von vor dem Start für mich wieder revidiert. Liebe Kapitäne, wenn Not am Mann ist, plant mich mit ein. Gebt mir wieder ein Ziel vor Augen und die Gelegenheit auf weitere spaßige Wochenenden mit der Mannschaft!
Text: Kathia Spiegeler & Hauke Heller